AG Bad Säckingen, Beschluss vom 09.09.2010, Az. 3 F 43/10: Übertragung des Sorgerechts

09AG Bad Säckingen, Beschluss vom 09.09.2010, Az. 3 F 43/10: Übertragung des Sorgerechts

Eine Erklärung gem. § 1626a BGB, mit der nicht miteinander verheiratet Eltern erklären, dass sie das Sorgerecht für ihr Kind gemeinsam ausüben wollen, hat keine Wirkung, wenn die Mutter mit einem anderen Mann verheiratet ist, und das Kind deshalb als dessen eheliches Kind gilt. Dies gilt auch dann, wenn die Eheleute seit so langer Zeit getrennt leben, dass der Ehemann nicht als biologischer Vater in Betracht kommt.

Mit der Scheidung der Mutter wird diese Erklärung wirksam, ohne dass es dazu einer weiteren Erklärung der Eltern bedarf.

Für Entscheidungen über das Sorgerecht eines in Deutschland lebenden Kindes ist deutsches Recht anwendbar. Auf die Staatsangehörigkeit der Eltern oder des Kindes kommt es nicht an.

Gegen die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil spricht nicht zwingend, dass es in der Vergangenheit zu Vernachlässigungen des Kindes gekommen ist, wenn dieser Zustand beendet ist und weitere Vernachlässigungen nicht zu befürchten sind.

Für die Bewertung des Kindeswohls ist eine Betreuung durch den leiblichen Elternteil der Betreuung durch Drittpersonen grundsätzlich vorzuziehen.

Das Sorgerecht für ein Kind ist dann auf einen Elternteil zu übertragen, wenn „ein gedeihliches Zusammenwirken der Eltern zum Wohl des Kindes insgesamt ausgeschlossen erscheint.“ (BGH NJW 2000, Seite 203ff).

Durch die Übertragung des Sorgerechtes für das Kind auf die Kindesmutter wird das Umgangs- oder Besuchsrecht des Kindesvaters nicht tangiert.

Entscheidung:

In der Familiensache

Antragsteller (Kindesvater)

gegen

Antragsgegnerin (Kindesmutter, Mandantin)

hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bad Säckingen … am 09.09.2010 für Recht erkannt:

Das Kind A., geb. am 12.01.2010, wird der elterlichen Sorge der Antragsgegnerin unterstellt. Die gemeinsame Sorgerechtserklärung … vom 04.03.2010 ist damit hinfällig.

Der Antrag des Antragstellers auf Übertragung der elterlichen Sorge für das genannte Kind wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Geschäftswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Parteien sind die Eltern des Kindes A., geb. am 12.01.2010. Der Antragsteller hat die Vaterschaft zu dem Kind anerkannt. Außerdem wurde mit Datum vom 04.03.2010 eine gemeinsame Sorgerechtserklärung … nach § 1626a BGB abgegeben, in welcher die Parteien erklärt haben, gemeinsam die elterliche Sorge für das genannte Kind ausüben zu wollen.

Die gemeinsame Sorgerechtserklärung hat allerdings zunächst keine Wirksamkeit entfaltet. Dies deshalb, da die Antragsgegnerin damals noch mit einem anderen … verheiratet war, und damit das Kind kraft Gesetzes als eheliches Kind aus dieser Ehe galt. Mit Datum vom heutigen Tage wurde jedoch die Ehe geschieden, so dass damit die Sorgerechtserklärung Wirksamkeit erlangt. Auf das verfahren 3 F 197/09 wird insofern verwiesen.

Im vorliegenden Verfahren begehren beide Parteien das Sorgerecht für das Kind A. Dieses lebt derzeit in der Obhut der Antragsgegnerin, die sich seit drei Monaten in einer Mutter-Kind-Einrichtung in O. aufhält.

Der Antragsteller trägt zur Begründung seines Antrages vor, dass die Antragsgegnerin nicht in der Lage sei, sich sachgerecht um das Kind zu kümmern und auf seine Bedürfnisse einzugehen. So hätte die Antragsgegnerin in der Vergangenheit nur unzureichend für das Kind gesorgt. Sie hätte auch zu mehreren Drittpersonen gesagt, dass sie das Kind eigentlich nicht haben wolle. Auch hätte sie das Kind schon zu Freundinnen abgeschoben, um mit Freundinnen in die Disko gehen zu können.

Er, der Antragsteller, sei dagegen bereit, sich um das Kind zu kümmern. Sollte er wieder eine Arbeit finden, so seien seine Partnerin, seine Schwester und auch seine Mutter bereit, sich während seiner berufsbedingten Abwesenheit um das Kind zu kümmern.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und beantragt ihrerseits das Sorgerecht für das genannte Kind. Eine Vernachlässigung des Kindes wird von ihr bestritten. Im Übrigen macht sie geltend, dass der Antragsteller gewalttätig sei und sie auch schon geschlagen hätte. Auch hätte die Familie des Antragstellers sie nach der Geburt ihres Kindes von dem Kind ferngehalten und ihr einen Zugang zu dem Kind verwehrt.

Bezüglich des weiteren Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

2.

Da das Kind in der Bundesrepublik Deutschland lebt, gilt für die Entscheidung über das Sorgerecht deutsches Recht.

Nach § 671 Abs. 1 BGB kann dann, wenn die Eltern nicht nur vorübergehend voneinander getrennt leben, jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Absatz 2 bestimmt weiter, dass dem Antrag stattzugeben ist, soweit der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht, oder zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohle des Kindes am besten entspricht.

Sind diese Voraussetzungen dagegen nicht erfüllt, verbleibt es beim gemeinsamen Sorgerecht.

Im vorliegenden Fall entsprach es dem Wohl des Kindes A. am ehesten, es der elterlichen Sorge der Antragsgegnerin und Kindesmutter zu unterstellen.

Aufgrund der angestellten Erhebungen kann davon ausgegangen werden, dass es in den ersten Monaten des Lebensjahres des Kindes in der Tat zu Unzuträglichkeiten bei der Versorgung gekommen ist. Es spricht allerdings einiges dafür, dass beide Parteien hieran ihren Anteil hatten.

Belegt ist allerdings, dass sich die Antragsgegnerin seit drei Monaten in O. in einer Mutter-Kind-Einrichtung befindet. Dort möchte sie ihren Schulabschluss nach holen und anschließend eine Ausbildung absolvieren. Jedenfalls sind in letzter Zeit keine Vernachlässigungen des Kindes festzustellen, seit sich das Kind in der Obhut der Antragsgegnerin befindet.

Was den Antragsteller betrifft, so ist davon auszugehen, dass er bestrebt ist, in absehbarer Zeit eine Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Für diesen Fall beabsichtigt der Antragsteller, das Kind durch Drittpersonen (Partnerin, Mutter und Schwester) betreuen zu wollen.

Dies widerspricht dem Wohl des Kindes, da eine Betreuung durch den leiblichen Elternteil der Betreuung durch Drittpersonen grundsätzlich vorzuziehen ist.

Fraglich war allenfalls, ob man es beim gemeinsamen Sorgerecht entsprechend der Sorgerechtserklärung belässt oder ein alleiniges Sorgerecht der Kindesmutter installiert. Das Gericht hat sich für das Zweite entschieden.

So hat der BGH entschieden, dass Konflikte der Eltern in wesentlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge dazu führen, dass das Sorgerecht auf einen der beiden Elternteile zu übertragen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn „ein gedeihliches Zusammenwirken der Eltern zum Wohl des Kindes insgesamt ausgeschlossen erscheint.“ (BGH NJW 2000, Seite 203ff) (Beschluss vom 29.09.1999, XII ZB 3/99)

Im vorliegenden Fall fehlt es für ein gemeinsames Sorgerecht an einer Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft beider Parteien. Beide Parteien sind ziemlich zerstritten und machen sich gegenseitige Vorwürfe, insbesondere, was die Versorgung des Kindes betrifft. Angesichts dieser Umstände entsprach eine alleinige elterliche Sorge der Kindesmutter am ehesten dem Wohl des Kindes.

Am Ende dieser Entscheidung sei darauf hingewiesen, dass das Besuchsrecht des Antragstellers durch diese Entscheidung nicht tangiert wird. Der Antragsteller hat das Recht, das Kind zu sehen, wobei die genauen Modalitäten ggf. geregelt werden müssen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 94, KostO, 13a FGG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 2 und 3 KostO